Eigentlich wollten wir nur streichen!

- Erlebnisbericht -

Meine gute Laune geht gerade meine Motivation suchen  

                      oder

Die 5 Phasen einer jeden Renovierung:

-Grenzenlose Begeisterung
-Heilloses Durcheinander
-Suchen der Schuldigen
-Bestrafung der Unschuldigen
-Auszeichnung der Unbeteiligten


Grenzenlose Begeisterung:
Ja so könnte man die momentane Situation beschreiben.
Unser Gedanke war zunächst eigentlich ganz einfach.
Wir wollen die Wände im Kircheninnraum streichen. Nicht mehr und nicht weniger. So dachten wir uns das. Eigentlich ganz einfach. Die Begeisterung war vorhanden, da wir ja im Jahr 2021 unser 300jähriges Jubiläum feiern wollen.


Heilloses Durcheinander:
Dann kam die obligatorische Baubegehung mit dem Denkmalamt und der Diözese Rottenburg. Dort stellte sich heraus: Streichen, einfach so, NEIN.
Zuerst einmal brachen wir ein Gutachten hinsichtlich der Substanz der Wände. Gleichzeitig müssen die Risse und das abplatzen des Stucks in der Decke begutachtet werden. Ein weiteres Gutachten muss hinsichtlich der Figuren und Bilder erstellt werden. Da das noch nicht ausreicht, muss ein dritter Gutachter beauftragt werden, welcher den Grund für den Riss am vorderen linken Eck im Kirchenschiff feststellt.
Die Begeisterung war noch immer da. Die Gutachten bestellt und der Glaube, das da ja nicht so viel herauskommt, noch groß.
Das erste Gutachten welches gefertigt wurde betraf die Figuren und Bilder. Als dieses eintraf wurden an den einen oder anderen Figuren Lockerungen und Ausbrüche sowie starke Verschmutzung festgestellt. Die auffälligsten Schäden sind an den Apostelgemälden der Orgelempore auszumachen. Hier sind große Teile der Gemälde infolge UV-Einwirkung krepiert und ausgebleicht.
Gut, die letzten Figuren wurden etwa vor 50 Jahren saniert. Also sind die Schäden noch so im Rahmen.
Das zweite Gutachten betraf die Wände und die Decke. Beim Lesen wurde es uns hier schon etwas flau in der Magengegend. Im Gutachten wurde darauf verwiesen, das eine Reinigung der Wände nicht ausreicht und die Wände gestrichen werden müssen. Das war eigentlich für uns schon klar, hierfür hätten wir kein Gutachten gebraucht. Hinsichtlich der Decke wurde es schon heftiger. Diese muss noch fachmännisch geöffnet werden, um abzuklären, ob der Deckenaufbau noch stabil ist. Wenn dies der Fall ist müssen die Risse gekittet werden und eine Malschichtsicherung an den Deckengemälden durchgeführt werden. Ist der Deckenaufbau aber nicht mehr sicher, so muss dies erneuert werden. Das wäre ein gewaltiger Aufwand verbunden mit einer Kostenexplosion. Die Oberflächenreinigung der Wände müsste im ersten Arbeitsschritt mit Pinsel und Staubsauger erfolgen. Danach wird ein Trockenschwamm eingesetzt und zum Schluss die partiellen Kleintierablagerungen mit warmen Wasser und Radierschwamm entfernt werden. Im Sockelbereich muss der salzbelastete Putz entfernt und erneuert werden. 

Unsere Motivation wich schon fast einer Schockstarre.

Jetzt kam noch der dritte Gutachter. Dieser schaute sich den Dachstuhl an. Er stellt gleich fest, dass das Dachgebälk die Decke nicht anhebt, sondern Druck auf die Decke ausübt. Dies sei ein Problem welches aber noch einfach zu beheben sei. Aber der Riss im vorderen linken Eck der Kirche stammt von der Dachverbindung Kirche/Kirchturm. Hier wird der Druck des Kirchendaches, aufgrund einer früheren Sanierungsarbeit, punktuell in die Kirchenmauer geleitet. Der Druck des Daches sollte aber gleichmäßig auf der Mauer aufliegen und verteilt werden. Dies ist eine größere Baumaßnahme. Es ist zwar noch nicht akut, sollte aber in den nächsten 5 Jahren angegangen werden. 


Suchen der Schuldigen:
Ja toll, jetzt wird aus einem einfach mal Streichen eine Großbaustelle. Wir wollten eigentlich nur streichen. Die Behörden erkannten aber die vorhandenen Problemstellen und zeigten sie uns kurzerhand einfach mal, mittels eines Gutachtens, auf.
Was sie uns nicht aufzeigten war die Finanzierung. Jetzt hatten wir ein Problem. Alle drei Gewerke hängen zusammen und alle drei Mängel sollten gemeinsam bearbeitet bzw. behoben werden. Es macht also keinen Sinn die Wand zu streichen, hierbei die Figuren und Bilder zu entfernen und diese nicht zu sanieren. Es macht auch keinen Sinn für das Streichen ein Gerüst im Kircheninnenraum auf zu stellen und dann die Decke nicht zu sanieren. Es macht auch keinen Sinn 5 Jahre später das Dachgebälk zu sanieren da hierfür wieder ein Gerüst im Kircheninnenraum benötigt wird.
Schluss endlich, es müssen alle drei Gewerke zeitgleich saniert werden. Hinsichtlich der Finanzierung besteht die berechtigte Hoffnung, dass der eine oder andere Zuschuss vom Denkmalamt bzw. von der Diözese bei uns eintrifft. Aber auch ohne diesen Zuschuss haben wir die moralische Verpflichtung unsere Kirche für unsere Nachfahren zu erhalten und zu pflegen. Jedem Häuslebesitzer ergeht es doch eigentlich gleich. Irgendwann kommen einmal die Zeit und das Haus muss saniert werden. Eine Suche nach einem Schuldigen ist hierbei sinnlos und absolut kontraproduktiv.

In diesem Sinne haben wir uns entschlossen nach einem indischen Spruch die Arbeiten anzugehen:

„Wenn das Haus gebaut ist, ist der Zimmermann vergessen.“


Bestrafung der Unschuldigen:
Jetzt darf man es sich aber nicht einfach vorstellen indem ich einen Handwerker beauftrage und der fängt einfach an. Ich kann auch nicht einfach den Vorteil der Corona-Zeit, welche das Gemeindeleben (Benutzung der Kirche) einschränkt, ausnutzen. Ich kann auch nicht einfach mal so die Mehrwertsteuersenkung ausnutzen und hierbei 3 % einsparen. Nein, jetzt muss ich erneut Anträge stellen und auf die Freigabe des Denkmalamtes und der Diözese warten. Diese müssen erst mal die Gutachten und die daraus hervorgehende Notwendigkeit der Sanierung und der Zuschüsse prüfen. Aufgrund der Corona-Zeit ist dies aber nicht so einfach und so schnell möglich. Die Folge: Die Zeit verstreicht. Die Hoffnung, die Vorteile der momentanen Zeit nutzen zu können, schwindet. Die Motivation der vielen freiwilligen und ehrenamtlichen Helfer geht zurück.
Einfach mal anfangen geht auch nicht. Hierbei würden wir die Chance auf Zuschüsse verspielen, da diese nur vor Baubeginn, durch schriftlichen Antrag, gewährt werden. Jetzt müssen motivierte Handwerker und freiwillige Helfer wieder vertröstet werden. All die Versprechen das alles einfacher wird, kommt im Moment einfach nicht an.


Auszeichnung der Unbeteiligten:
Ist die Baumaßnahme dann irgendwann endlich abgeschlossen, kommt es zu den großen Lobeshymnen. Irgendwie waren auf einmal Alle dabei, Alle haben geplant und gearbeitet. Alle haben Ideen und Vorschläge gehabt. Alle wussten es oder ahnten es.
Zum Schluss kommt man aber zum ehrlichen Ergebnis, dass ohne Alle ein solches Projekt niemals möglich gewesen wäre und das Alle daran gearbeitet haben. Die dörfliche Gemeinschaft wurde gestärkt und das dörfliche zusammenleben lebenswerter gemacht.

Blickt man am Ende noch einmal zurück, ist an einem japanischen Spruch doch sehr viel Wahres dran:

„Fürchte dich nicht vor langsamen Veränderungen, fürchte dich vor dem Stillstand.“


In diesem Sinne werden wir weiterhin versuchen, auch wenn es langsam geht, den Stillstand zu vermeiden.
 

Baustellenbericht

Am 11.05.2020 ging alles los. Die Sakristei musste ausgeräumt, werden da die Wände extrem feucht waren und Schäden an den Möbeln befürchtet wurden.
Das Streichen der Kirchenwände stand ebenfalls an. Aus dem Streichen wurde eine Großbaustelle.

Im Oktober wurden die Kirchenbänke entfernt. Jetzt waren die Putzschäden deutlich zu erkennen. Der Putz musste auf einer Höhe von 1 Meter von den Kirchenwänden entfernt werden. Teilweise waren 10 cm Putzantragungen an den Wänden. Diese müssen natürlich wieder neu angebracht werden. Es können aber max. 5 cm Putz auf einmal neu angetragen werden. Dann muss pro angebrachten Millimeter der Putz ein Tag trocknen. Das kostet nicht nur Geld, sondern auch viel Zeit.

Der Stuckateur musste den Boden abdecken und verbaute hierbei ca. 320 m2 Abdeckfolie, ca. 240 m2 Vlies und benötigte hierzu ca. 760 m Klebeband. Für die ersten 5 cm Putz wurden ca. 143 Säcke Putz verarbeitet.

Im Januar begann der Zimmermann mit seiner Arbeit. Frohen Mutes ging es gut los.

Aber wie es so ist, wenn ein „Altbau“ saniert wird: „Mach ich eine Wand auf, lässt die nächste nicht lange auf sich warten“. Da zwischenzeitlich das Wetter mal schlechter wurde wurden die undichten Stellen des Dachs aufgedeckt. Und darunter? Da waren die Deckenbalken ebenfalls schon marode und müssen saniert werden.

Was wird alles erneuert?


Zimmermann:
-    Im Turmbereich mussten an mehreren marode Deckenbalken die morschen stellen entfernt werden. Neues Holz wurde wieder angeflanscht.
-    eine Vielzahl an neue Schwelle, welcher im Turmbereich und Chorbereich fehlte, bzw. morsch waren, wurde eingebaut
-    verschiedene Sparren mussten erneuert werden
-    Wechsel und Buntstreben werden neu eingezogen
-    1 neue Buntschwelle/Vogelholz neu eingebaut
-    Am Gratsparren, höhe Sakristei, ist das Dach undicht die fehlenden Nocken müssen eingebaut werden.
-    Darunter war das Deckengebälk ebenfalls morsch und muss entfernt werden.
-    Auch hier fehlt der Schweller und muss eingezogen werden.
-    Hängesäulen müssen alle wieder freigeschnitten werden.
-    1 Wandsparren im Eingangsbereich ist aufgrund eintretender Feuchtigkeit morsch und muss saniert werden.
-    Die defekten Deckenbretter werden ausgetauscht.
-    bei der Überprüfung der weiteren Dachbalken wurden weitere drei marode stellen gefunden welche saniert werden mussten.


Elektriker:
Nach dem Entfernen des Putzes wurde festgestellt, dass die Kabel in einem desolaten Zustand waren. Daher wurden die augenscheinlich defekten Kabel entfernt und Kabel, wie die der Heizung, müssen durchgemessen werden. Im Februar ging es dann los.

-    3100 m Kabel (Lautsprecher, Alarmanlage, Steckdosen) verlegt
-    70 Schalterdosen gesetzt
-    nicht mehr verwendete Leitung zurück gebaut
-    alte Leitungen der Heizung vermessen
-    um eine optimale Belüftung der Kirche zu gewährleisten wird eine automatische Lüftungsregelungsanlage für die Fenster eingebaut
-    Lichter, Lautsprecher und Heizung wieder eingebaut

Wände und Decke
-    Oberflächenreinigung mit Akapad-Schwamm
-    hierbei wurden ca. 60 Akapad-Schwämme verschlissen
-    Aufgrund der Dachsanierung musste eine Weichsprießung an der Decke durchgeführt werden.
-    Sanierung der beschädigten Decke (Risse schließen, Ausbesserung der Deckengemälde)


Figuren und Bilder:
-    Reinigen der Figuren und Bilder
-    Beschädigungen reparieren
-    Figuren und Bilder aufhängen und Diebstahlsicherung anbringen


Freiwillige Helfer:
-    Figuren abbauen
-    Bänke ausbauen
-    abdecken des Bodens und der Bänke
-    Putz der Seitenwände entfernen
-    Schlitze für die Alarmanlage klopfen
-    neuer Tresor aus- und einbauen
-    Schutt entsorgen
-    regelmäßiges Reinigen und Lüften der Kirche
-    Das wichtigste: Handwerker mit Kaffee und Kuchen sowie Getränke versorgen (Hebt erheblich die Arbeitsmoral)
-    Gottesdienst in der Halle organisieren und vorbereiten


Trotz Großbaustelle konnten wir die Gottesdienste immer durchführen, da uns die Gemeinde die Turn- und Festhalle kostenlos hierfür zur Verfügung gestellt hat.

Dafür ein großes Vergelt´s Gott.

Da die Gemeindehalle viel Größer als die Kirche ist, hatten wir während des Lockdowns den Vorteil, dass wir für alle Gottesdienstbesucher immer ausreichend Platz zur Verfügung hatten.

Wenn die Baumaßnahme beendet ist, hoffen wir, dass wir nach bestem Wissen und Gewissen alles richtiggemacht haben und die Sanierungsmaßnahme die nächsten 50 Jahre anhält.

Wir der Kirchengemeinderat Mühlhausen haben es so gehalten wir Wolfgang Goeteh einmal sagte:

„Es ist nicht genug zu wissen, man muss es auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen, man muss es auch tun.“

Wir haben gewusst das saniert werden muss und wir packten es an.

            oder:

„Das Leben besteht hauptsächlich darin, dass man mit dem Unvorhergesehenen fertig werden muss“.
John Steinbeck


Danke für Ihre entgegengebrachtes Vertrauen, Ihre Unterstützung und Ihrer Hilfe.

Dafür ein Herzliches Vergelt´s Gott

Ihr Kirchengemeinderat Mühlhausen
 

Abschlussdokumentation der Holzbaufirma Geißer

Abschlussdokumentation der Sakristei von Frau Sauter

Abschlussdokumentation der Deckengemälde von Frau Sauter