Mühlhauser Kirchengemeinde feiert ihre 300jährige Eigenständigkeit
Beeindruckender Festgottesdienst in der Kirche St. Ottilia Mühlhausen
Im Jahr 1721 ist die Kirche St. Ottilia Mühlhausen durch den Rot´schen Kapitularbeschluss zur Pfarrei erhoben worden. Aufgrund dieses wichtigen Ereignisses feierte die Kirchengemeinde St. Ottilia am Sonntag den 26.06.2022 einen beeindruckenden und festlichen Gottesdienst. Pfarrer Max Wiest, Pater Johannes-Baptist Schmid O’Praem. aus Rot an der Rot und Diakon Wolfgang Mast sowie 25 Ministranten, eine Fahnenabordnung der FFW-, der KLJB- und des MV-Mühlhausen zogen eindrucksvoll in die vollbesetzte und wunderschön geschmückte Kirche St. Ottilia ein.
Für die feierliche und für „Gänsehaut“ sorgende musikalische Gestaltung der Messe sorgten der Kirchenchor und eine Frauengesangsgruppe des Musikvereins. Die Festpredig hielt der Prämonstratenser Pater Johannes-Baptist Schmid. In fazinierender Weise verstand Pater Johannes es die vier Säulen des Prämonstratenser-Ordens, mit den heutigen Geschehnissen und den Ereignissen in der Kirchengemeinde Mühlhausen in Einklang zu bringen. Während der gesamten Predigt konnte man förmlich die Spannung und die Aufmerksamkeit der Kirchenbesucher spüren.
Auch Bürgermeister Guntram Grabherr sowie der Ortsvorsteher Hubert Ego, welche als Ehrengäste begrüßt werden konnten, zeigten sich von der Predigt tief beeindruckt.
Nach dem gelungenen Festgottesdienst, ging es in den wohl schönsten Festgarten im Landkreis Biberach, in den Festgarten der Gemeinde Mühlhausen. Zahlreiche schattenspendende Bäume, ein hervorragendes Mittagessen sowie das dazugehörige kühle Getränk, serviert vom MV Mühlhausen anlässig des hier jährlich stattfindenden Herz-Jesu-Fest/Gartenfest rundeten die Feierlichkeiten mit einem kulinarischen Höhepunkt und vielen tollen und interessanten Gesprächen ab.
Predigt zur 300 Jahre Pfarrei-Erhebung in Mühlhausen 26.06.2022 Herz Jesu Hochfest
Predigt
Liebe Festgemeinde, liebe Mitchristen!
Es ist für mich als Prämonstratenser und als Pfarrer von Rot an der Rot eine große Ehre und Freude, mit Ihnen heute das 300jährige Bestehen Ihrer Pfarrei feiern zu dürfen.
Wir feiern dieses Jubiläum gewissermaßen unter dem Bild des Hl. Norbert, der den Orden der Prämonstratenser vor 900 Jahren gegründet hat und dessen Orden hier ja jahrhundertelang wirken durfte.
Und wir feiern dieses Jubiläum unter dem Wappen von Abt Hermann Vogler, in dessen Amtszeit im Jahr 1721 der Beschluss des Roter Konventes fiel, dass die bis dahin zur Pfarrei Haisterkirch gehörende Filiale Mühlhausen künftig eine selbstständige Pfarrei bilden solle.
Mit einem kurzen Text, den ich auf der Homepage Ihrer Seelsorgeeinheit gefunden habe, möchte ich meine Predigt beginnen. Der Text beschreibt den Ausflug Ihrer Kirchengemeinde im vergangenen Jahr auf den Odilienberg im Elsass. Darin heißt es:
„Warum ist dies ein Ausflug in die Gegenwart?
Ganz einfach: unsere Kirche ist der Hl. Ottilia geweiht.
Vor 300 Jahren, am 19. November 1721, wurde durch den Rotschen Kapitularbeschluß Mühlhausen zur Pfarrei erhoben. Dies war für Mühlhausen ein Wendepunkt und daher wohl das wichtigste Ereignis der Dorfgeschichte.
Mühlhausen gehörte über mehrere Jahrhunderte kirchlich zur Muttergemeinde Haisterkirch und somit zum Prämonstratenserkloster Rot an der Rot.
Aufgrund dieses Kapitularbeschlusses, der der Gemeinde Mühlhausen erlaubte, eigene kirchliche Gebühren zu erheben und einen Friedhof anzulegen, feiern wir dieses Jahr unser Jubiläum.“
Soweit das Zitat von Ihrer Homepage!
Gott-sei-Dank haben meine Mitbrüder im Kloster Rot also vor gut 300 Jahren diesen Beschluss gefasst. Denn dieser Beschluss war tatsächlich nicht unbedeutend für Sie und ist es bis heute nicht.
Nein, im Gegenteil, er lieferte das Fundament für das, was heute Ihre Kirchengemeinde ausmacht. Und wenn man auf Ihre Homepage schaut, dann sieht man, dass diese Gemeinde lebt und lebendig ist. Dass es unter dem Dach der Kirchengemeinde St. Ottilia Platz für Jung und Alt gibt, dass da viele gute und innovative Initiativen ergriffen werden und Ihre Gruppen und Gremien lebendig und dynamisch sind. Dazu meinen herzlichen Glückwunsch!
Liebe Mühlhauser, liebe Schwestern und Brüder! Man kann ein Jubiläum unterschiedlich feiern: Man kann Rückschau halten an die gute alte Zeit, in Erinnerungen schwelgen und sich in der Romantik vergangener Tage verlieren.
Man kann aber auch schauen, was wohl der tiefere Gehalt der vergangenen Jahre war. Was es wohl war und ist, was diese hinter uns liegende Zeit geprägt hat, wo sozusagen der „Spirit“ und das Charisma lagen und was es davon ins Heute weiterzutragen gilt.
Ich möchte deshalb noch einmal daran erinnern, dass Mühlhausen gewissermaßen ein klösterlich geprägter Ort war, dass es zum Kloster Rot gehörte und hier über Jahrhunderte hinweg Prämonstratenser auch als Seelsorger tätig waren. Auch wenn das alles mit der Säkularisation vor 220 Jahren zu Ende ging, so blieb da doch so manches erhalten und wirkt bis heute nach. Oder andres gesagt: so ein Jubiläum bietet eben auch eine gute Gelegenheit, auf die Quellen zu schauen und darauf zu achten, was Ihre und Eure Vorfahren durch die vielen Jahrzehnte hindurch geprägt hat uns Sie und Euch als Kirchengemeinde im heutigen 21. Jahrhundert bis heute prägt oder zumindest prägen kann.
Ich möchte Ihnen und Euch deshalb heute etwas über die Spiritualität der Prämonstratenser sagen. Ich möchte versuchen, daran anzuknüpfen, was diese Pfarrgemeinde aufgrund ihrer prämonstratensischen Eigenheit ausmachte und was sie heute davon noch lebendig hält und halten kann.
Es sind vier Grundpfeiler, auf denen die Prämonstratenser-Spiritualität steht.
Eine erste Säule ist die sogenannte STABILITAS LOCI. Die Stabilität am Ort. Konkret bedeutet das in unserem Orden, dass ich zu dem Kloster, in das ich als junger Mann eintrete, ein Leben lang dazugehöre. Wir Prämonstratenser werden also nicht querfeldein in ganz Deutschland herum versetzt, wie das bei anderen Orden der Fall ist. Ich selber bin als gebürtiger Oberschwabe – aus Gutenzell stammend – im Jahr 2000 in das Kloster Roggenburg im Landkreis Neu-Ulm eingetreten und gehöre seit 22 Jahren zu dieser Gemeinschaft. Auch wenn ich jetzt Pfarrer in Rot bin, so versuche ich doch, jede Woche mindestens zwei Mal auch dort im Kloster in Roggenburg zu sein. Stabilitas Loci in der Prämonstratenser-Spiritualität heißt dann folglich, fest zu einem Ort zu gehören, an einem Ort zu leben. Oder anders gesagt: einen Standpunkt zu haben, verwurzelt zu sein, Heimat zu haben. Diese Säule ist gerade in unserer schnelllebigen und mobilen Welt besonders wichtig. Auch für Sie als Kirchengemeinde. Ich finde es großartig, wie sie sich auch mit diesem Jubiläum an Ihr Herkommen und ihre Herkunft erinnern. Wir müssen auch als Kirche vor Ort wissen, wo wir herkommen, wo wir hingehören, wo unser Platz ist, wo unsere Wurzeln sind, wo wir daheim sind.
Denn aus dieser Verwurzelung heraus haben meine Mitbrüder in vergangenen Jahrhunderten dann den Ansporn für ihr klösterliches Wirken erhalten. Ihnen war es wichtig, den Raum, in dem sie lebten, auch zu gestalten: ACTIO heißt somit eine zweite Säule prämonstratensischer Spiritualität, wie sie auch diesen Ort und diese Umgebung geprägt hat. Actio heißt: Aktiv sein. Der Heilige Norbert, der hier in Mühlhausen ja so schön und prominent an der Decke dargestellt ist, er wollte im Jahr 1121 im Tal von Premontré in Frankreich, wo der Orden auch seinen Namen her hat, ganz bewusst einen aktiven Orden, einen Priesterorden gründen. Er wollte, dass Priester in Gemeinschaft leben und dann aber auch in der Seelsorge tätig sind. Zum Kloster Rot, das wiederum nur 5 Jahre nach der eigentlichen Ordensgründung schon gestiftet wurde, gehörten von Anfang an viele Pfarreien, die dann auch vom Kloster aus betreut wurden. Und wir müssen ja nur einmal durch unsere oberschwäbische Heimat fahren. Die prächtigen Kirchen, Höfe und Häuser. Vieles davon wurde durch die Prämonstratenser-Abteien Rot an der Rot oder Schussenried errichtet. Die umfassende Seelsorge, das Schulwesen, die Krankenversorgung, das Sozialsystem und überhaupt die Kultivierung von Land und Wald, das hatten zuerst diese Ordens-Männer – und oft auch Ordens-Frauen(!) in die Hand genommen, die in unseren oberschwäbischen Klöstern lebten. Selbstverständlich auch in den anderen Ordensgemeinschaften. Auch wenn diese Abteien und Klöster in der Säkularisation alle untergehen mussten, so konnte dennoch vieles, was bereits am Laufen war, aufgefangen und weitergetragen werden. Und Sie, liebe Mühlhauser, Sie führen dieses Erbe gewissermaßen bis heute weiter. Diese Säule der Actio gilt auch für Sie und Euch. Wir Christinnen und Christen müssen aktiv sein, wir dürfen etwas bewegen und weiterbringen, wir sind dazu eingeladen, die Welt aktiv zu gestalten. Und ich habe es ja eingangs schon gesagt: Wie man das Ihrer Homepage (und auch diesem Festtag heute) entnehmen kann, machen Sie das hervorragend! Sie sind eine lebendige Kirchengemeinde mit vielen Gruppen, Kreisen und Aktivitäten!
Und dieser Aspekt bringt uns bereits zur dritten Säule prämonstratensischen Lebens. Dem Leben in Gemeinschaft, der COMMUNIO. Das Zusammenleben ist im Prinzip das Fundament unserer klösterlichen Lebensform. Es war ja so, dass in Haisterkirch auch ein kleiner Klosterkonvent war, wo die Mitbrüder in Gemeinschaft lebten. Und sicher war es auch so, dass nachdem Mühlhausen eigene Pfarrei war, der zuständige Chorherr auch den engen Kontakt zu seinen Mitbrüdern in Haisterkirch pflegte. Was für uns Prämonstratenser wichtig ist, gilt aber ja nicht nur fürs Ordensleben. Zusammenleben, Zusammenarbeit, Gemeinschaft, „Teamgeist“, das ist in allen unseren Lebensbereichen das A und O, egal ob in der Partnerschaft, in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Freizeit. Ziele können nur gemeinsam verwirklicht werden. Nur im Austausch und im Dialog, nur im friedfertigen Umgang miteinander ist ein Fortschritt möglich. Und nur wenn in einer Kirchengemeinde alle am gleichen Strick ziehen, dann wird etwas zustande gebracht. Dann entsteht eine Kraft, ein Potenzial. Leider bleiben manchmal aufgrund unserer Animositäten, unserer Grabenkämpfe und Rivalitäten viele dieser Energien unnötig auf der Strecke. Werden Energien regelrecht dadurch vergeudet. Achten Sie bitte als Kirchengemeinde darauf, dass Sie Communio pflegen, leben und intensivieren. Dass Gemeinschaft spürbar bleibt und erlebbar wird! Dass Sie alle an einem Strang ziehen!
Liebe Schwestern und Brüder: eine Säule des prämonstratensischen Lebens, wie es Mühlhausen Jahrhunderte lang geprägt hat, und gottseidank immer noch prägt, fehlt uns noch. Es ist die CONTEMPLATIO: die Suche nach Lebenstiefe, nach Beschaulichkeit, die Suche nach Gott. Wir Prämonstratenser versuchen diesen Aspekt durch unser dreimaliges Chorgebet im Kloster, durch die Feier der Eucharistie, durch die gemeinsamen Jahresexerzitien und durch das Persönliche Gebet zu pflegen. Sie, liebe Gemeinde von Mühlhausen, haben hier in Ihrer Kirche St. Ottilia einen Ort, wo Sie diese Beschaulichkeit auch immer wieder suchen und ihr nachspüren dürfen. In der Feier der Feier der Heiligen Messe, vor allem am Sonntag, in den verschiedenen anderen Gebetsformen wie Rosenkranz und Andachten, Prozessionen, in modernen Gebetsformen und im persönlichen stillen Gebet. Der Heilige Norbert wird immer mit der Monstranz dargestellt, weil er in der heiligen Messe und in der Anbetung sich ganz besonders nahe seinem Herrn wusste.
Liebe Festgemeinde! Liebe Schwestern und Brüder!
Auch wenn wir nicht mehr im 16., 17. oder 18. Jahrhundert leben und die Prämonstratenserzeit hier in Mühlhausen schon lange Vergangenheit ist, so mögen uns doch diese vier spirituellen Säulen, die Stabilitas loci, die Actio, die Communio und die Contemplatio inspirieren, unser Leben im Heute zu gestalten und unseren Dienst in dieser Welt zuversichtlich und engagiert zu tun. - Hl. Ottilia und heiliger Norbert, bittet für uns. Amen.
P. Johannes-Baptist Schmid O.Praem.
Kloster Roggenburg – SE Rot-Iller