Kirchweihe in Mühlhausen – ein Jubiläum mit aktuellen Bezügen

Am 19. November 1721 wurde Mühlhausen durch den Rotschen Kapitularbeschluss zur Pfarrei erhoben. Dieses Datum jährt sich 2021 zum 300. Mal – Anlass genug, dieses zu feiern.

Der Festreigen wurde am 17. Oktober diesen Jahres mit einem feierlichen Gottesdienst eröffnet. Pfarrer Wiest führte in seiner Ansprache aus, dass es bei der Kirchweih um das Gebäude gehe, nicht um Heilige wie bei einem Patrozinium. Mit der Erhebung zur Pfarrei erlangte die Kirchengemeinde die Eigenständigkeit mit Pfarrkirche und eigenem Friedhof.

Pfarrer Wiest betonte jedoch, dass vor allem die Menschen wichtig sind, die in der Kirche ein- und ausgehen. Die meisten Gläubigen wünschten sich nach seinen Worten eine kirchliche Taufe, Hochzeit oder Beerdigung, unabhängig davon, ob Sie regelmäßig oder nur selten einen Gottesdienst besuchen. Wichtig sei letztendlich, dass sie überhaupt den Weg in die Kirche finden. Ein Paradebeispiel hierfür sei die (Motorradfahrer-) Hochzeit vom Vortag, bei der für das Brautpaar die kirchliche Trauung ein wichtiges Anliegen war. Passend dazu befanden sich am Sonntagmorgen gegenüber der Kirche noch einige Motorräder, die auf ihre Abholung warteten.

Der Festtag fand nachmittags seine Fortsetzung, indem Pater Maurus von der Benediktinerabtei St. Ottilien in seinem Festvortrag auf das Leben der Hl. Ottilia einging. In seiner Einleitung stellte er zunächst kurz sein Kloster vor. Bei der Abtei handle es sich um Missionsbenediktiner, die ihre Aufgabe darin sehen, den Menschen die Augen für den Glauben zu öffnen. Ihr Wahlspruch sei deshalb „lumen caesis -Licht den Blinden“, in Anlehnung an die Hl. Ottilia, die ihrer Lebensgeschichte nach durch die Taufe sehend wurde. Der Schwerpunkt der Missionsarbeit des Klosters St. Ottilien liegt in Ostafrika.

Anschließend stellte Pater Maurus das Leben der Hl. Ottilia vor. Dies erfolgte jedoch nicht als herkömmliche Heiligengeschichte. Vielmehr schilderte er verschiedene Lebensstationen mit aktuellen Bezügen.

Ottilia kam um 660 im Elsass blind zur Welt, unter denkbar schlechten Umständen. Mädchen wurden als soziale Bürde betrachtet, zumal mit einer körperlichen Behinderung wie Blindheit. Dementsprechend wollte sie ihr strenger Vater, der Herzog Eticho, aussetzen bzw. umbringen lassen, was zu dieser Zeit leider immer wieder vorkam. Eticho trug fast sein ganzes Leben lang einen inneren Zwiespalt in sich: Äußerlich zwar fromm, indem er für viele Vergehen Buße tat, in seinem Handeln jedoch sehr grausam. Die blinde Ottilia wird dabei oft als Spiegel für den Vater betrachtet: Trotz äußerlicher Frömmigkeit war dieser Blind für die Botschaft Gottes.

Ganz anders ihre Mutter, welche Ottilia einer Amme anvertraut und damit das Leben von Ottilia gerettet hat. Die Amme wiederum dient als Bild mütterlicher Menschen, die geben, was andere Menschen nicht zu geben vermögen. Pater Maurus stellte die Mutter und die Amme als Beispiele dar, wie durch Glaube vieles zum Guten gewendet werden kann.

Das Bild von Ottilia als ausgesetztem Kind tritt laut Pater Maurus in vielen unterschiedlichen Kulturen auf. Beispiele hierfür seien Ödipus in der griechischen Sagenwelt, Moses im alten Testament oder auch Jesus. In Bezug auf die genannten Beispiele zeigte Pater Maurus auf, dass gerade diejenigen, die nicht „behaust“, also ausgesetzt sind, etwas Neues hervorbringen. Das zentrale Ereignis sei die Taufe. Ihr Wesen ist „neu sehen.“ Die Kinder sollen dadurch sehend werden, aber gleichzeitig auch die Eltern. Letzteren schrieb Pater Maurus ins Stammbuch, dass sie die Erwartungen und Wünsche der Kinder sehen sollten und nicht die Kinder mit ihren eigenen Erwartungen überfordern sollen.

Nachdem Ottilia viele Jahre fern der Heimat verbracht hatte, kehrte sie zurück und besuchte den mittlerweile schwer kranken Vater. Sie versöhnt sich mit ihm und erhält auf dem Mont St. Odile einen Platz zum Bau eines Klosters.

Ottilia lebte als Äbtissin des Frauenklosters eine Spiritualität und Wärme vor, die sich und den Mitmenschen auch was gönnt. Die Schwestern sollten deshalb nicht die ganzen Tage innerhalb der Klostermauern verbringen, sondern sich auch sozialen Aufgaben widmen. Dementsprechend ließ Ottilia die neue Kirche des Klosters St. Martin weihen, gemäß dem Leitspruch, dass man teilen soll, was man besitzt.

Als Ottilia am Ende eines erfüllten Lebens von den Schwestern des Klosters tot aufgefunden wird, wird sie der Überlieferung nach durch deren inständiges Gebet noch einmal ins Leben zurückgerufen. Ottilia ergriff dabei selbst den Kelch, nahm die Kommunion und verstarb. Dies kann nach Pater Maurus so gedeutet werden, dass Ottilia die Tätigkeit eines Priesters ausgeführt hat. Dies wird von modernen Bewegungen gerne herangezogen als Beispiel für mögliches Wirken von Frauen in der Kirche.

Kurz vor ihrem Tod berichtet Ottilia den Schwestern des Klosters, dass ihr die Hl. Lucia erschienen sei. Die Hl. Lucia gilt der Überlieferung nach als Trägerin des Lichtes des Heiligen Geistes. Ottilia und Lucia bringen Licht in die Adventszeit, ihr gemeinsamer Namenstag und damit auch das Kirchenpatrozinium in Mühlhausen wird am 13. Dezember gefeiert.

Zwischen die einzelnen Abschnitte des Vortrages von Pater Maurus gesellten sich harmonische Weisen des Kirchenchores, was dem Nachmittag einen schönen Rahmen verlieh. Anschließend an den Vortrag konnte man sich im Rahmen eines Empfangs über die Worte von Pater Maurus und sonstige Dinge austauschen. Die Ministranten sorgten dafür, dass das leibliche Wohl nicht zu kurz kam.

Franz Bühler